Mimikry mit Ornament
© Hanne Loreck
Visuell zeigen sich Mariella Moslers Cosmic Knots (2010) als komplexe kurvige Lichtspur im Raum. Tatsächlich liegen den von der Decke abgehängten Neonschleifen genaue mathematische Beschreibungen zu Grunde, welche Knoten der Anzahl von Überschneidungen beziehungsweise von Kreuzpunkten der Linien oder Schnüre nach klassifizieren. Formal basieren die Cosmic Knots auf der – ebenfalls auf mathematischem Weg gewonnenen – graphischen Darstellung des Drüber und Drunter. Doch tritt die Genese durch ihre Berechnung als Figur des hyperbolischen Raums vollständig zurück gegenüber der ästhetischen Wahrnehmung. Denn ein und dieselbe Leuchtröhre erscheint in Abhängigkeit vom Betrachterstandpunkt in einer immer anderen Schlingenkonstellation. Ebenso verheddert wie auf undurchschaubare Weise organisiert macht das Gebilde den Eindruck eines ‚wilden’ dreidimensionalen Ornaments.
„Ornament ist bei Mosler formale Gestaltungsweise, Thema und visuelle Strategie“, fasste der Kunstkritiker Jens Asthoff mit Blick auf Mariella Moslers Arbeiten aus Sand, Haar und Fruchtgummi der 1990er Jahre zusammen und reflektierte damit auf den Kern ihrer vielfältigen Oberflächenuntersuchungen. Gute zehn Jahre später erweitern nun die Cosmic Knots das Feld des Ornamentalen mit der Absicht, sowohl formal und als auch rhetorisch andere Facetten desselben Zusammenhangs zu thematisieren. Anknüpfungspunkt ist, dass die Kunstgeschichte Knotenmuster als ein Gebiet der Ornamentik führt. Demnach haben sich Knotenmuster mutmaßlich interkulturell in der Überbrückung erstaunlicher Zeiträume und geographischer Distanzen herausgebildet: von der Spätantike zum Mittelalter, vom koptischen Ägypten über Italien bis zu den Britischen Inseln. Zugleich stellen Knoten ästhetische Ergebnisse einer spezifischen handwerklichen und textilen Kulturtechnik dar, mittels derer zwei oder mehrere Dinge fest, aber auch mustergültig miteinander verbunden werden. In dieser Perspektive erübrigt sich eine dominante Vorstellung des Ornaments, nämlich seine Applikation.
Knoten kennt das Handwerk, die Botanik, die Chemie, die Medizin, die Statik, die Astronomie – und diese Gebiete reichen nicht aus, um die Vielfältigkeit ihrer Funktionen auch nur annähernd wiederzugeben. Auch wenn Mariella Mosler mit den Cosmic Knots spezifische Knoten im Blick hat, so ist doch diese Fülle der Anwendungsbereiche ein Symptom des Knotens selbst: So wesentlich stellen sich in ihm Verbindungen dar – von materiell sicheren bis zu ungegenständlich modellhaften –, dass sie sich eben durch die Figur des Knotens mannigfaltig kennzeichnen lassen. Ihnen allen gemeinsam ist die räumliche Dimension. Zwar spreche ich hier vom Knoten als dem resultierenden Gebilde, aber ebenso wichtig ist die Tätigkeit des Knotens oder Knotenknüpfens. Die Knotenkunde überblickt solche Praxis, nützlich für Seemänner, Kletterer, Rettungsleute und Angler. Oftmals sind die Figuren historisch ikonographisch überliefert, wie die legendären Borromäischen Ringe, die aus dem Wappen der gleichnamigen Mailänder Familie stammen und dort als Zeichen ihres unverbrüchlichen Zusammenhalts genealogisch zu deuten sind. Entscheidend an dieser Knotenkonstellation ist, dass wir in ihr das Verflechten als Bewegung von Auf-und-ab oder Vor-und-Zurück, mithin die relativ flächige Struktur der Zwei, in die räumliche Verschlingung von drei Elementen überführt finden: Löst man einen der Ringe heraus, so sind auch die anderen beiden frei. Hier streifen wir den Bereich der Knotentheorie, ein Forschungsgebiet der Topologie. Eine Fragestellung auf dem Gebiet der mathematischen Gebilde ist, ob zwei gegebene Knoten äquivalent sind, also ob sie ineinander überführt werden können, ohne dass dabei die Schnur durchtrennt würde. Auf Räume übertragen, sind zwei Räume als gleich anzusehen, wenn man sie durch Strecken, Drehen, Stauchen etc. ineinander verformen kann, ohne sie dabei zu zerreißen oder zu zerschneiden. Denn im mathematischen Sinn definiert sich ein Knoten als eine Einbettung einer Kreislinie oder mehrerer Kreislinien in den dreidimensionalen Raum. Dieser ist folglich mathematisch nicht länger in der Ordnung des euklidischen, sondern in der des hyperbolischen Raumes zu begreifen. Mit gekrümmten Flächen bildnerisch zu operieren, eröffnet faszinierende formale Möglichkeiten, die in der geheimnisvollen Schönheit der Verschlingungen der Cosmic Knots anschaulich werden.
Visuell betrachtet haben Knoten selbst dann noch eine Beziehung zur Ordnung des Räumlichen, wenn ihre Auflösung oder Entflechtung aus der Vorstellbarkeit herausfällt (wie dies für Nichtmathematiker bezüglich der topologischen Knoten überwiegend gelten wird), die Struktur sich also in das rätselhafte Zwischen von Undurchschaubarkeit und System verzieht. Dieses Spiel hat die Ornamentik besonders dort kunstvoll ausgekostet, wo sie, wie in Leonardo da Vincis Knoten (1489), ein spitzenartiges, wie eine Klöppelei anmutendes Flechtwerk variiert. Wir haben es bei diesen optisch anziehenden Blättern mit der Umschrift räumlicher Dimensionen in die Fläche zu tun, und genau so hatte da Vinci seine Musterscheiben auch gesehen: wie die Projektion des komplexen, n-dimensionalen kosmischen Zusammenhangs in eine Knotenschrift. Doch das Rätsel bleibt, auch wenn wir den mythisch-religiösen Hintergrund wegstreichen: Wie kann die ewige und deshalb geschlossene Schleife zugleich ein derart subtiles, löchriges Muster ergeben, ohne dass der Faden je verloren geht? Ob nun ununterbrochen oder doch abgesetzt, der französische Kunsthistoriker Daniel Arasse bezeichnet da Vincis Flechtmotive als „genuin theoretische Gebilde“ und verortet sie in einer damals aktuellen Mailänder Wissenschaftsmode. Was den Fadenverlauf betrifft, müssten wir seine komplexe Komposition mit dem Finger nachfahren, denn die Linienführung entzieht sich der visuellen Erfassung auf einen Blick. Solch manuelles Nachzeichnen ist es, das die Mannigfaltigkeit des Objekts deutlich macht und Produzent_in und Rezipient_in das Hand-Werk teilen lässt. Ähnlich dem, was die Graphen der Mathematik zu leisten vermögen, die, wie das bekannte Möbiusband, aus der Perspektive des konventionellen Systems des Logischen paradoxe Verhältnisse und Zustände nicht nur bezeichnen, sondern erfahrbar machen, ist auch mit den Knoten-Flechtwerken die Gleichzeitigkeit und Nichtopposition von Innen und Außen, Oben und Unten signalisiert. Zum Teufel jedoch mit solcher Abstraktion, wenn Knoten, gerade aufgrund ihrer strukturalen Uneindeutigkeit, als magische Objekte Verwendung fanden; dann galten sie als offensive Waffe. Mittels ihrer ließ sich verwünschen wie Exorzismus praktizieren. Den Unterschied bestimmte der Kontext, mithin die Ausrichtung des Rituals, nicht unbedingt der Knoten selbst.
Kulturtheoretisch betrachtet, zielt das Ornament auf Kommunikation und Vermittlung, denn ihm ist eine im Wort- und übertragenen Sinn verbindliche Dimension eigen. Ausgehend vom Objekt adressiert das Ornament die Betrachter_innen, ohne freilich die Rezeptionsrichtung vorzuschreiben. Getragen wird solch Vermittelndes von einem ästhetischen Überschuss, der – selbst die Ökonomen der Moderne hatten es zuzugeben – so einfach nicht zu streichen ist. Und sogar die Evolutionstheorie – Härtetest für die Effektivität der Relation zwischen Aufwand und Erfolg – musste ihn als unerklärlichen, da im biologischen Sinn zwecklosen Aspekt von Überleben und Arterhalt anerkennen. Darwin distanzierte sich vom Phänomen von Schmuckgefieder oder betörend raffinierten Mimikrymustern in der Tierwelt, indem er es als Mode abtat – und brachte in dieser Disqualifizierung einer wesentlich sozialen Form des Spiels mit ästhetischen Zeichen sein kulturelles Unbehagen zum Ausdruck.
Das Ornamentale heute bildnerisch zu reorganisieren, verwirft keineswegs den ästhetischen Genuss bestimmter visueller Ordnungen. Doch im Unterschied zum derzeit allgemein konstatierten Befund einer gleichsam wahllosen Ästhetisierung aller Bereiche der Lebenswelt, als deren Symptom die Wiederkehr des Ornaments gilt, geht es in Mariella Moslers spezifischem Rückgriff auf das Ornament um eine Dekonstruktion seiner Diskursgeschichte samt der derart überlieferten Wertvorstellungen. Vor allem zielt ihre Aktualisierung des Ornamentalen auf die Ambivalenz im historischen Verdikt des Primitivismus. In der sogenannten kulturellen und gesellschaftlichen Aussonderung des Anderen – so die allgemeinste Definition von Primitivismus – schwankten ‚primitive’ Formen zwischen ihrer vom Kolonialismus beförderten Ächtung und ihrer Wertschätzung als Vision und Utopie der sogenannten zivilisierten Kulturen. Bemerkenswerterweise zeigen sich beide Projektionen ähnlich organisiert. In beiden Fällen die Abweichung vom europäischen Kanon darstellend, wurden ästhetisch einfache Elemente, darunter das „primitive Ornament“, einmal als mangelnde Komplexität konturiert, um das andere mal als erfrischende Einfachheit zu gelten. Mariella Moslers Konzeption des Ornamentalen widersetzt sich solchen polarisierenden Urteilen. Die Künstlerin argumentiert visuell mit dem Ornament als Vermittelndem, als Drittem. So wird nicht länger der theoretische und praktische Wahrheitsgehalt des Ornaments überprüft, sondern es werden mit dem Wissen um seine Geschichten Strukturen der Transformation produziert. Damit verschiebt Mariella Mosler auch alle Reinheitsüberlegungen, die in der modernen Ornamentdiskussion immer wieder darum kreisen, einen wesentlichen Träger vom überflüssigen Hinzugefügten zu befreien, auf eine ästhetische Artikulation der Politiken des Ornaments und des Ideologischen im Diskurs des Puren, der Abstraktion. Derart werden Konstruktion und Tradierung des symbolischen Kapitals sichtbar, die darin bestehen, kleine Formen von großen Würfen zu trennen, Erzeuger_innen hierarchisch zu kategorisieren und ästhetische Praktiken geographisch zu sondieren.
In einem zeitlich vor den Cosmic Knots begonnenen, mittlerweile weit über 100-teiligen Werkkomplex widmet sich Mariella Mosler der Maske (fortlaufend seit 2006). Auch in dieser prägnanten, vielgestaltigen und ironisch-witzigen Serie gilt die erste Assoziation nicht dem Ornamentalen im Sinn sich wiederholender und meist wohl geordneter Formen. Eher dient das Ornament als impliziter Bezugspunkt. Denn die Künstlerin hat Aspekte seiner diskurshistorischen und praktischen Verwerfung und vornehmlich seine kulturellen Wertungen verselbständigt und mit denen der Maske kurzgeschlossen – denken wir bloß an Adolf Loos’ Ornament und Verbrechen (1908) und in unserem Kontext besonders an seine ästhetisch-rassisierende visuelle Argumentation mit den Ganzkörperornamenten und –masken tätowierter Papuaner als didaktisches Schreckbild des modernen westlichen Menschen. Bis heute stellen (außereuropäische) Masken den Prototyp dessen dar, was als Primitivismus die Rhetorik der Kunstethnographie und der modernen Kunst um 1900 leitete – Zeitpunkt virulenter Diskussionen ums Ornament, Beginn ungegenständlicher Bildkonzeptionen, letztes Aufbäumen des Primats der Hochkunst, bevor das „Ornament der Masse“ (Siegfried Kracauer, 1927), von den damals neuen Medien getragen, das Mythische neu definieren sollte. Solcher Primitivismus sitzt im Herzen der Moderne. Er symbolisiert förmlich ihre zwiespältige Struktur. Denn historisch als ebenso abschätzige wie anerkennende Charakterisierung von Artefakten nichteuropäischer Kulturen gebraucht, ließen sich gewisse diesen Gegenständen zugesprochene magisch-naturhafte Kräfte in ihren als einfach, direkt und ursprünglich geltenden Formen zur Revirilisierung einer mit dem Ende des 19. Jahrhunderts als nurmehr blässlich erachteten bourgeoisen Subjektivität vampiristisch aussaugen.
Wie bei den Knoten gibt es auch zwischen Maske und Ornament eine kunsthistorische Verbindung: in der Kunstform der Groteske. Auf diesem Gebiet der antiken römischen Ornamentik finden wir Masken eingebunden in pflanzliche Rankenmotive, menschliche Figuren, Tiergebilde und Fabelwesen und nehmen sie als Teil einer symbolischen Ordnung des Bizarren, Enigmatischen wahr. Vergleichbar der widersprüchlichen Funktion von ‚einfachen Formen’ im Primitivismus wurden auch die Grotesken arbiträr rezipiert, nicht nur als Ausdruck des Faszinierenden, sondern auch als Mittel der Abwehr alles Furchterregenden und Bedrohlichen. Sie verkörpern mithin, wie gewisse Knoten, eine magische Dimension.
Masken verwenden Gesichtszüge, um sich an den anderen zu wenden. Sie sind jedoch selbst kein Gesicht, sondern ein vermittelndes Dazwischen – zwischen zwei Gesichtern. Wir können sie als Ebene eines Schichtsystems sehen, in dem das Oben/Unten durch die Stimme verwoben wird, die durch die Maske hindurch tönt, sowie durch den Blick, der durch die Augenlöcher fallen kann. Auch signalisiert jede Maske selbst dann noch, wenn sie an einer Wand hängt oder in einer Vitrine liegt, ihren Gebrauch. Sie lässt über das Ritual fantasieren, dessen Element sie war oder werden könnte.
Mit ihrer alltäglichen, billig-banalen Materialität, aber ebenso mit den Herstellungsverfahren fingieren Mariella Moslers Masken etwas Kulthaftes. Im Schatten von Anachronismus und Exotismus lassen sie kein Mittel aus, um Zivilisationsmüll ein Gesicht zu geben. Dabei wird an die Betrachter_innen delegiert, welche zeitgenössischen ‚Primitivismen’ sie durch die Masken hindurch (auf eine Gruppe) projizieren. Für die Gesichter verwendet die Künstlerin Luftpolsterfolie, schmilzt Fruchtgummischlangen ebenso wie Blattgirlanden aus Plastik oder Zuckerzeug; Augen und Mund werden schematisch ausgespart, aber auch als Löcher in den Träger gebrannt, selten um eine Nase ergänzt. Jeder Kunstgriff zielt auf die Grenze zwischen dem großen Bluff, als Maske im ‚hohen’ Sinn durchzugehen und der unverkennbaren Lust am Trash. Mariella Mosler sengt Holzspäne an, aber sie vergoldet sie auch. Die Materialien reichen von klassisch wertvollen Werkstoffen wie Bronze zu Bastel- und Verpackungsmaterial, Wellpappe und Hanfseile zum Beispiel. Auf der semantischen Ebene mischen sich Anspielungen auf populäre Mythen und Subkulturen, seien es Halloween oder Gothic, mit solchen auf rassistische Stereotypen, die, wie Golliwogg, als verniedlichte Idee des netten Schwarzen dem kolonial konnotierten Primitivismus um 1900 ein Comic-Gesicht verpasst hatte. Darüber ließe sich beinahe übersehen, dass die Maskenmimikry trotz des bewusst diffus gehaltenen Kultur- und Entstehungszeitraums die gleichsam mythische Rezeption von moderner Kunst einbezieht. Aber können wir sicher sein, dass die farbigen Längsstreifen auf einem geriffelten Bronzeblech mit Bridget Riley zu tun haben, oder vielleicht nicht doch eher mit Missoni-Strickmustern?
Mit solchen Anspielungen auf kanonische ungegenständliche ‚moderne Kunst’ zeigt sich der Konnex von Ornament und Sprache, den Mariella Mosler wiederholt als Grundbaustein ihrer Materialisierungen angeführt hat. Doch lässt sich nun neben der strukturalen Seite auch die der je konkreten Artikulation der Verbindungen und Verbindlichkeiten vernehmen. So mag die vollmundige Parole von der Abstraktion als Weltsprache, wie sie von Werner Haftmann anlässlich der zweiten documenta-Ausstellung 1959 geprägt wurde, mit Arbeiten wie denen Mariella Moslers eine neue Wendung erhalten. Denn das Ornament, vom dem wir hier aus strategischen Gründen ohne kulturelle Spezifizierung sprechen, vermag den ungenannten ausschließlichen Westbezug der Abstraktion kritisch herauszustellen, ihn gleichsam ‚von hinten’ durchzuarbeiten, indem es selbstbewusst die Kulturtechniken verschiedener vormals marginalisierter Produzent_innen (Kunsthandwerker, Frauen, ‚orientalische’ oder afrikanische Hersteller_innen) am Punkt ihres Kommunikationswertes und der mit ihnen verbundenen, ja regelrecht an sie geknüpften Praktiken ver-wendet. Dann erfährt auch der künstlerisch kolonialisierte, in bedenkenloser Aneignung ausgebeutete Primitivismus als die Kunstform der Anderen eine solche kritische Revision.
Für einige ihrer Masken hat Mariella Mosler billigste Körbe aus Vietnam genommen. Als Gebrauchsgegenstände sind sie weniger wegen ihres niedrigen Preises attraktiv als vielmehr weil sie erfolgreich an den westlichen Wunsch nach zwar unaufdringlichem, aber doch sichtlich ethnisch verbrämtem Dekor zu appellieren vermögen. Mariella Mosler entflicht nun die Textur des zwar manuell hergestellten, materiell aber beinahe wertlosen Objekts selbst handwerklich aufwändig, um dann die Bestandteile in einer Maske zu reorganisieren. Dabei operiert sie mit der Anmutung des Exotisch-Wilden, so dass uns in ihrer neuen Flechtung das ethnokulturelle Kapital als Motor einer zynischen Ökonomie anschaut. Zunächst scheinen die Wertesysteme auf unterschiedlichen Skalen zu liegen – ästhetisch versus ökonomisch; über Mariella Moslers transformative Mimikry zeigen sie sich freilich ineinanderverschränkt. Auf diese Weise erhält die alte Diskussion um Notwendigkeit oder Überflüssigkeit des Ornaments ein zweites Gesicht, auf welchem die Faszination für das Andere als in globale wirtschaftliche Prozesse hineingestülpt erscheint.
In der Struktur von Knoten wie Maske liegt mehr als die Vertauschung der zwei (oder auch mehr als zwei) Bänder oder der zwei Gesichter bezüglich der Ebenen oben und unten. In solchem Tausch, konzipiert als prozessuales Hinundher und nicht als einmaliger Akt des Wechsels von hier nach dort, wird ein klassisches Dominanzsystem in Interdependenzen überführt. Was in den Masken an kulturellen Wertungen materiell und semantisch verhandelt wird, liegt bei den Cosmic Knots abstrakter vor. Sie erscheinen noch in der permanenten visuellen Überraschung konstruktiv und im Gegensatz zu den Masken vor allem nicht narrativ. Aber mit dem Rückgriff auf topologische Figuren und ihr Potential, unter der Prämisse des Raumes exemplarisch Techniken zum Zuge kommen zu lassen, welche Formgebung mit Metaphorik paaren, konstatieren wir zumindest einen Berührungspunkt – Falten, Fädeln, Einstülpen, Ausbeulen, Schlingenbilden und Schleifenlegen erinnern an Handarbeiten und bringen etwas Textiles ins Spiel. Vornehmlich jedoch verabschieden sich diese Techniken vom klassischen Erkenntnismodus des Sich-Spiegelns. Nicht länger glättet eine distanzierte, gegenüberliegende Oberfläche das Bild, nun wird gedrückt, gestaucht, gezogen – im Hinblick auf das Wunschbild des Subjekts und der Kultur allesamt wenig schmeichelhafte Techniken. Mathematisch gesehen, verändern sie zwar Raum oder Objekt nicht, aber die Ansicht ihres umgeformten Äußeren gibt solche Gleichheit nicht zu erkennen. Mit ihrer unterhaltsamen Schönheit zielen Mariella Moslers Arbeiten aufs Modellieren eines permanenten Übergangs zweier klassisch entgegengesetzt gedachter Seiten ineinander; in solcher Nicht-Orientiertheit des Standpunktes werden die Hierarchien und Hegemonien verhandelbar, von denen hier die Rede war.